Rettet den typografisch richtigen Apostroph!
Eine Initiative des Grafik-Designers Roland Scheil.
Ungefähr in den 1990ern tauchte im hiesigen Raum verstärkt eine Krankheit auf, für die es bis heute noch kein wirksames Heilmittel gibt: die Apostrophitis. Ignoranz und Dilettantismus, gepaart mit Willkür und Gleichgültigkeit, scheinen Wurzel und Nährboden zugleich für diese unheilbare Krankheit zu sein. Doch worum geht es überhaupt?
Der Apostroph (altgriechisch apóstrophos = abgewandt) ist als das Auslassungszeichen (auch Hochkomma oder Oberstrich genannt) ein Satzzeichen, das in der deutschen Sprache bestimmte Auslassungen in einem Wort kennzeichnet oder den Genitiv von Eigennamen verdeutlicht, die im Nominativ bereits auf einen s-Laut (geschrieben: -s, -ß, -z, -x, -ce) enden. Detailliert sind die Anwendungs- und Rechtschreibregeln im Duden und bei Wikipedia nachzulesen.
Vom Erscheinungsbild unterscheidet man im Wesentlichen zwei Formen des Apostrophs: Den geraden Apostroph findet man auf deutschen Tastaturen zwischen dem Ä und der Return-Taste. Er sieht in der Schreibmaschinenform so aus: inn're Freud'
Doch diese Form wird oftmals auch abfällig als Tippsen-Apostroph bezeichnet. Der gelernte Schriftsetzer oder ausgebildete Typograf liebt diese Form nicht und hat aus dem geraden den typografisch richtigen Apostroph gezüchtet. Diesen erkennt man an der leicht eingerollten Haltung oder der leichten Schräglage (je nach verwendeter Schriftart). Der typografisch richtige Apostroph sieht einer hochgesetzten 9 oder einem hochgesetzten Komma ähnlich: inn’re Freud’
Man erzeugt den typografisch richtigen Apostroph auf macOS-basierten Rechnern über alt+shift+#, auf Windows-Systemen über die Tastenkombination alt+0146 (bei Desktop-Tastaturen mit deutscher Tastaturbelegung; bei Smartphone- und Tablet-Tastaturen sind die gewünschten Zeichen über die alternative Zeichenbelegung zu finden).
Menschen mit einem geübten Blick fürs Detail und Sinn für Ästhetik verwenden ausschließlich den typografisch richtigen oder den geraden Apostroph – und nichts anderes. Denn: Ähnlich heißt nicht gleich! Eine Nebenentwicklung der Apostrophsetzung ist, dass häufig eines der Betonungszeichen Akut (´) oder Gravis (`) – beide eingebbar über die Taste ´ – oder das einfache schließende Anführungszeichen (‘) anstelle des eigentlichen Apostrophs (’) gesetzt wird, da die automatische Korrektur beim Eingeben eines ' direkt nach einem Buchstaben ein ‘ erzeugt, sich diese Zeichen optisch ähneln und den Schreibenden der Unterschied nicht bekannt bzw. bewusst ist.
Merke: Deutsche Genitive mit -s haben keinen Apostroph. Ein Apostroph bei einem Plural-s ist schlicht falsch. Imperative haben im Deutschen keinen Apostroph. Ein Wortabstand mit Akzent ist kein visuell befriedigender Ersatz für einen Apostroph. Ein einfaches schließendes Anführungszeichen ebenfalls nicht.
Um das Krankheitsbild der Apostrophitis mit allen Erscheinungsformen mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, habe ich den 9.9. zum »Internationalen Tag des typografisch richtigen Apostrophs« ausgerufen. Seit 2018 feiern alle Freundinnen und Freunde der gepflegten Schriftgestaltung jedes Jahr am 9.9. diesen Ehrentag des Apostrophs.
Die Möglichkeit zum Mitfeiern bietet sich bei Twitter und weiteren sozialen Medien unter den Hashtags #TagDesApostrophs oder #ApostropheDay. Ich freue mich auf rege Teilnahme.
Nordfrische Grüße
Roland Scheil
Dipl. Designer (FH)
Quellen und weiterführende Links: